Heuschnupfen – Wenn das Immunsystem übersteigert reagiert

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Schätzungsweise 12,5 Millionen Deutsche leiden im Frühjahr unter einer Pollenallergie. Sollten Sie selbst von der hierzulande häufigsten Unverträglichkeit betroffen sein, dann sind Ihnen Symptome wie tränende Augen oder starkes Niesen vertraut. Doch Mediziner beobachten, dass der eigentlich harmlose Blütenstaub für immer mehr Menschen zum ernsten Problem wird. Welchen Anteil Lebensstil, Klimawandel und Umwelteinflüsse am Heuschnupfen haben, lesen Sie hier!

Die Leidenszeit beginnt für viele oft schon im Winter

In Deutschland blickt etwa 15 Prozent der Gesamtbevölkerung mit gemischten Gefühlen auf das Frühjahr. Wenig Regen, viel Sonnenschein und hohe Temperaturen sorgen dafür, dass die ersten Pollen bereits im Februar gemessen werden. Nicht nur eine länger andauernde Pollenflugsaison belastet Allergiker, sondern auch die stete Zunahme an Blütenstaub durch Trockenheit. Teilweise bis in den Herbst schränken Juckreiz, Niesattacken und Fließschnupfen die Lebensqualität Betroffener erheblich ein. Zudem zeigen Patienten mit Heuschnupfen verstärkt grippeähnliche Symptome wie Abgeschlagenheit oder Gliederschmerzen.

Was hinter den belastenden Beschwerden steckt

Der saisonal allergische Schnupfen tritt nur zur Blütezeit bestimmter Bäume und Sträucher, Gräser und Kräuter auf. Dringen Pollen über die Schleimhäute in den Organismus von Betroffenen ein, lösen Eiweiße im Blütenstaub eine überschießende Immunantwort aus. Dabei stuft die körpereigene Abwehr ursprünglich harmlose Pollen als gefährlich ein. Die Allergene werden wie Krankheitserreger bekämpft. Infolgedessen schütten sogenannte Mastzellen entzündungshemmende Botenstoffe wie Histamin und Leukotriene aus. Sie sind für die typischen Heuschnupfen-Symptome in Nase, Rachen und Augen verantwortlich.

Die Fehlregulation des Immunsystems bleibt ein Rätsel

Birkenpollen
Birkenpollen am Baum | Bild: ©YAYImages (Alex Golke)/Depositphotos.com

Wodurch eine Pollenallergie letztlich ausgelöst wird, ist noch nicht umfänglich geklärt. Allerdings tragen Faktoren wie die Vererbung zur Entstehung von Heuschnupfen bei. Sind beide Eltern erkrankt, wird die Allergie mit bis zu achtzigprozentiger Wahrscheinlichkeit an das Kind weitergegeben. Auch Kinder rauchender Eltern wachsen mit einem erhöhten Risiko auf, eine Allergie zu entwickeln. Übermäßige Hygiene unterfordert das Immunsystem des Kindes und begünstigt eine Überempfindlichkeit gegenüber Pollen.

Wie sich Klima und Umwelt auf eine Pollenallergie auswirken

Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann vom Universitätsklinikum Augsburg sieht einen engen Zusammenhang zum Klimawandel. Für die Umweltmedizinerin und ihr Forscherteam spielt das Klimagas CO2 eine große Rolle bei der steigenden Anzahl von Heuschnupfen-Patienten. Umweltschadstoffe wie Stickoxide bewirken, dass Pollen tendenziell aggressiver wirken. Auch Ozon trägt dazu bei, dass Bäume und Gräser vermehrt allergieauslösende Proteine bilden. Diese Eiweißstoffe dienen den Pflanzen als Abwehrmechanismus, um ihr Überleben unter erschwerten, klimatischen Bedingungen zu sichern.

Ein weiterer Faktor für die Expertin ist die Trockenheit. Viele Bäume leiden unter einem sogenannten Dürrestress. Fehlt über einen längeren Zeitraum Regen, werden mehr Pollen freigesetzt. Aufgrund der engen Bebauung fällt der Pollenflug in Städten belastender für Allergiker aus. Offenbar fördern urbanes Wohnen und moderner Lebensstil die Entstehung von Heuschnupfen. Im Vergleich dazu weisen Kinder im ländlichen Raum ein deutlich geringeres Risiko auf, von einer allergischen Erkrankung betroffen zu sein. In länderübergreifenden Studien wiesen Schweizer Wissenschaftler nach, dass der Kontakt zu Mikroben aus Landwirtschaft und Tierhaltung das kindliche Immunsystem trainiert.

Ostdeutschland verzeichnet einen höheren Anstieg bei Heuschnupfen

In Sachen Allergieanfälligkeit hat der Osten Deutschlands gegenüber der früheren BRD aufgeholt. Bis 1990 überwog in der ehemaligen DDR eher eine Umweltverschmutzung durch Kohle. Während im Westen flüchtige organische Substanzen und ultrafeine Partikel zur Entstehung von Allergien beitrugen, holte Ostdeutschland nach Grenzöffnung bei Heuschnupfen stark auf. Einen Grund dafür sehen Mediziner im veränderten Lebensstil. Vor allem Birkenpollen verursachen in den neuen Bundesländern typische Heuschnupfen-Symptome. Mittlerweile hat die Zahl der Erkrankten bereits die Zwei-Millionen-Marke überschritten.

Eine Kombination von Allergien ist möglich

Bleibt die Pollenallergie unbehandelt, kann in 30 Prozent der Fälle ein allergisches Asthma die Folge sein. Oft bilden Heuschnupfen-Patienten eine Unverträglichkeit auf biologisch verwandte Nahrungsmittel wie Sellerie, Erdnüsse oder Haselnüsse aus. Die sogenannte Kreuzallergie beschränkt sich symptomatisch auf den Mund. Bei den meisten Patienten zeigt sich eine milde Ausprägung. Nur vereinzelt beobachten Ärzte einen schweren Krankheitsverlauf. Einige Patienten mit allergischem Schnupfen reagieren auf Tierhaare, was in der Regel zu einer Schleimhautreizung von Nase und Rachen führt. Heuschnupfen können auch Patienten mit Neurodermitis entwickeln.

Gesundheitliche Gefahr durch Ambrosia-Pollen

Das beifußblättrige Traubenkraut stammt ursprünglich aus den USA. Die anspruchslose Pflanze bevorzugt Standorte an Straßenrändern, auf Schutthalden oder in Kiesgruben. Als Beimengung in Vogelfutter gelangen die Samen auch in heimische Gärten. In der Blühzeit von Juli bis Oktober trägt der Wind den Blütenstaub mitunter kilometerweit. Schon fünf Ambrosia-Pollen reichen aus, um eine allergische Reaktion zu verursachen. Wie das Münchner Helmholtz-Institut in einer Studie nachwies, nimmt die Aggressivität der Pollen bei Luftverschmutzung durch Stickoxide zu. Neben den klassischen Symptomen von Heuschnupfen verursacht eine Ambrosia-Allergie oftmals eine Kreuzreaktion von Nahrungsmitteln, die zur Familie der Kürbisgewächse zählen.

Mit der richtigen Behandlung die Symptome schnell lindern

Heuschnupfen tritt in jedem Lebensalter auf. Die erbliche Veranlagung bleibt Zeit des Lebens bestehen. Allerdings können moderne Medikamente auftretende Beschwerden unterdrücken. Um eine Ausweitung der Pollenallergie auf die tiefen Atemwege zu vermeiden, empfehlen Ärzte eine Spezifische Immuntherapie (SIT). Als momentan einzig verfügbare, ursächliche Behandlungsmethode greift die Desensibilisierung in die überschießende Immunreaktion ein. Dabei wird das Abwehrsystem durch Gabe bestimmter Pollen schrittweise an die Allergene gewöhnt. Wie Studien belegen, ist die Erfolgsaussicht bei Heuschnupfen sehr gut. Die ambulante Therapie darf nur von geschulten Medizinern durchgeführt werden. Sofern Sie unter starker Allergie leiden, ist ein stationärer Aufenthalt nötig. Bei Schwangerschaft, Autoimmunerkrankungen, Krebs oder Herz-Kreislauf-Veränderungen ist eine Desensibilisierung kontraindiziert.

Hyposensibilisierung
Arzt führt eine Hyposensibilisierung durch | Bild: © photographee.eu (Katarzyna Białasiewicz)/Depositphotos.com

Zur lokalen Behandlung akuter Beschwerden von Heuschnupfen dienen Nasenspray oder Augentropfen. Die antihistaminhaltigen Präparate entfalten ihre Wirksamkeit für 24 Stunden. Bei heutigen Arzneimitteln treten kaum Nebenwirkungen wie Müdigkeit auf. Jedoch empfehlen Mediziner zur Sicherheit eine Anwendung vor dem Schlafengehen. Bei Bedarf werden Allergikern Glukokortikoide mit entzündungshemmender Wirkung verordnet. Um die Freisetzung von Entzündungsbotenstoffen aus Mastzellen zu verhindern, können Cromone mit Antihistaminika kombiniert werden. Leukotrienrezeptor-Antagonisten kommen bei Heuschnupfen mit allergischem Asthma zum Einsatz.

Ist die Nase zu, bieten abschwellende Nasensprays schnelle Hilfe. Für den häufigen Gebrauch eignen sich praktische Nasensprays mit Salzlösung. Noch effektiver wirkt eine Nasenspülung. In Apotheken und Drogeriemärkten erhalten Sie eine Nasendusche, die die Schleimhaut von Mikroben, Schleim und Sekret befreit. Bei gereizter Nase ist eine Salbe mit Dexpanthenol zu empfehlen. Neben der herkömmlichen Heuschnupfen-Therapie gelten Homöopathie, Eigenblutbehandlung oder Akupunktur als wirkungsvolle Ergänzung.

Was Sie bei einer Pollenallergie selbst tun können

Ein spezielles Pollenschutzgitter* eignet sich für Allergiker, die bei offenem Fenster schlafen. Ohne Pollenschutz sollten Sie nur zu bestimmten Zeiten lüften. In der Stadt ist die Pollenkonzentration zwischen sechs und acht Uhr morgens am geringsten. Von 19 bis 24 Uhr ist das Lüften auf dem Land möglich. Um die Pollenbelastung im Bett zu verringern, ist eine Haarwäsche abends zu empfehlen. Legen Sie Ihre Tageskleidung vor dem Schlafraum ab! Trocknen Sie Ihre Wäsche nicht im Freien!

Zu Spaziergängen nutzen Sie lieber Regentage, denn Feuchtigkeit verringert den Pollenflug. Planen Sie einen Urlaub, dann eignen sich pollenarme Reiseziele wie Hochgebirge, Küstenregionen und Inseln. Sind Sie viel mit dem Auto unterwegs, dann lohnt sich die Investition in eine Lüftungsanlage mit Pollenfilter. Fahren Sie mit geschlossenem Fenster, um eine Pollenbelastung zu vermeiden. Niesen während der Autofahrt gefährdet nicht nur Sie selbst, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer.

Zum aktuellen Pollenflug informiert Sie eine regionale Pollenvorhersage, die Sie aus der Zeitung, dem Radio oder Internet entnehmen können. Kostenlose Pollenflugkalender halten ebenfalls Apotheken bereit. Gerade darin finden Sie eine etwaige Orientierung, die Ihnen bei der Urlaubsplanung behilflich sein kann. Vermeiden Sie körperliche Anstrengung an Tagen mit starker Pollenbelastung.


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